12 Jahre nach dem „Ehren“-Mord an Hatun Sürücü: Der Handlungsbedarf ist immer noch groß

Der Todestag von Hatun Sürücü jährt sich am Dienstag, den 7. Februar 2017, zum 12. Mal. Dazu wird es am Tatort in der Oberlandstraße in Berlin um 14 Uhr eine Gedenkveranstaltung geben, um an das Leben dieser mutigen Frau zu erinnern. Hatun Sürücü hat ihr Recht wahrgenommen, selbstbestimmt zu leben und wurde dafür von ihrem eigenen Bruder umgebracht. So erging es davor und danach vielen jungen Frauen, die eine vermeintliche Familienehre verletzten, die in Wahrheit der Erhaltung traditionell-patriarchalischer Normen und Machtverhältnisse dient. Um diese archaischen Wertvorstellungen aufzubrechen und Bedrohte besser zu schützen, fordern wir deutlich mehr Anstrengungen von der Politik.

Gleichberechtigung und Menschenrechte müssen im schulischen Rahmen thematisiert und diskutiert werden. Diese Aufklärungsarbeit soll Mädchen und junge Frauen über ihre Rechte informieren. Das sehen wir als elementare Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und freies Leben. Zudem brauchen von Zwangsheirat oder Gewalt im Namen der Ehre betroffene Mädchen und Frauen Anlaufstellen, in denen geschulte Fachkräfte sie adäquat unterstützen. Wenn junge Frauen vor ihren Familien fliehen, muss ihre sichere Unterbringung gewährleistet sein und darf nicht an finanziellen Zuständigkeiten der Behörden scheitern. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht allein einzelnen Initiativen und Modellprojekten aufgebürdet werden darf.

Hatun Sürücü wurde mit 15 Jahren gegen ihren Willen verheiratet und steht damit exemplarisch für das Schicksal vieler Mädchen, die von Zwangsverheiratung betroffen und/oder gefährdet sind. Wir setzten uns seit vielen Jahren für Gesetzesänderungen zum besseren Schutz vor Zwangsheirat ein. Im Mai 2016 überreichten wir über 108.000 gesammelte Unterschriften, um ein Mindestheiratsalter von 18 Jahren durchzusetzen. Eine diesbezügliche Gesetzesänderung war bereits für Ende 2016 angekündigt. Um Schicksale wie das von Hatun Sürücü zukünftig besser verhindern zu können, müssen die rechtlichen Grundlagen schnellstmöglich geschaffen werden.

Der Prozess gegen zwei Brüder Hatun Sürücüs, die in einem ersten Verfahren aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurden, geht am 16. Februar in Istanbul weiter. Der Bundesgerichtshof hatte den Freispruch 2007 aufgehoben, allerdings waren da beide Brüder bereits in die Türkei geflüchtet. 2015 wurde dann auch in der Türkei Anklage erhoben.

Neben der Gedenkveranstaltung am Tatort am 07.02.2017, um 14 Uhr gibt es auch eine Fahnenhissung in Gedenken an Hatun Sürücü auf dem Rathausvorplatz Neukölln um 16.15 Uhr. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden gegen Gewalt an Mädchen und Frauen.

 

 

Stand 01/2017