Sexkäufer-Zitat. Foto: © Martin FunckAm Internationalen Tag „NEIN zu Gewalt an Frauen“, dem 25. November, setzte TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e. V. mit einer kraftvollen Inszenierung vor dem Brandenburger Tor ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen in der Prostitution. Unter dem Motto #sexistunbezahlbar – Für eine Welt ohne Prostitution wurde bei der diesjährigen Fahnenaktion deutlich gemacht, warum Prostitution mit Gleichberechtigung nicht vereinbar ist, und warum Sexkäufer in den Fokus der Gesetzgebung und unserer Aufmerksamkeit gesetzt werden sollen.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden folgende zwei Reden gehalten, die wir hier dokumentieren.
Jessica Espinoza, Vorstandsfrau von TERRE DES FEMMES:
Sehr geehrte Damen und Herren,
TDF-Vorstandsfrau Jessica Espinoza. Foto: © Martin Funckich möchte Sie heute hier am Brandenburger Tor herzlich willkommen heißen. Am internationalen Tag NEIN zu Gewalt an Frauen möchten wir die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass weltweit täglich Mädchen und Frauen diskriminiert, geschlagen, vergewaltigt werden und anderen Formen der Gewalt ausgesetzt sind. Dieses Jahr setzen wir den Fokus auf Prostitution – eine zurzeit legalisierte Form von Gewalt an Frauen. Dies können und wollen wir nicht akzeptieren. Daher freuen wir uns, dass wir hier zusammengekommen sind, um gemeinsam gegen diese Form von Gewalt an Frauen zu protestieren.
Mein Name ist Jessica Espinoza, ich bin im Vorstand von TERRE DES FEMMES, einer gemeinnützigen Menschenrechtsorganisation für Frauen. Wir treten dafür ein, dass Mädchen und Frauen das Recht haben, frei und in Würde zu leben.
Wir sind heute hier und fordern ein Umdenken im Umgang mit der Prostitution in Deutschland. Niemand weiß, wie viele Personen in Deutschland in der Prostitution tätig sind. Es gibt keine fundierten Zahlen, auch wenn dies seit Jahren gefordert wird. Klar ist jedoch, dass der Großteil davon Frauen sind. Die Sexkäufer sind fast immer Männer. Wir verstehen Prostitution daher als Teil des Patriarchats und das System der Prostitution als Gewalt gegen Frauen.
Prostitution betrifft nicht nur die Personen in der Prostitution, sondern alle, denen die Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland wichtig ist. Prostitution geht uns alle etwas an. TERRE DES FEMMES fordert, dass das abolitionistische Modell – das Nordische Modell – in Deutschland eingeführt wird. Dazu gehört das Sexkaufverbot mit der Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber von Bordellen, aber auch unbedingt der Aufbau von Ausstiegsprogrammen für Personen in der Prostitution.
Die Solidarität mit den prostituierten Frauen steht im Mittelpunkt des Modells.
Die Sexkäufer und Profiteure werden zur Verantwortung gezogen. Der Markt für käuflichen Sex und auch Frauenhandel soll durch die Senkung der Nachfrage reduziert werden. Das System der Prostitution ist unvereinbar mit echter Gleichberechtigung.
Sexkäufer schaffen die Nachfrage und den Markt für käuflichen Sex. Daher stellen wir sie heute hier in den Fokus der Aufmerksamkeit. Sexkäufer kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Was Sie hier sehen ist eine Auswahl von Aussagen von Sexkäufern über prostituierte Frauen allgemein oder speziell die Frauen bei denen sie Sex gekauft haben. Diese Aussagen wurden zum Teil in Zeitungsinterviews gemacht, oder in sogenannten „Freier-Foren“, wo Sexkäufer prostituierte Frauen „bewerten“. Wer von Ihnen sich schon mal in solchen Foren umgesehen hat, weiß, wie erschreckend diese Aussagen und die Haltung der sexkaufenden Männer sind.
Tatsächlich ist die hier zu sehende Auswahl vergleichsweise milde. Noch viel schlimmere menschen- und frauenverachtende Aussagen über die Frauen, ihre Rolle, ihre Körper und Körperöffnungen sind an der Tagesordnung. Viele der Beschreibungen zeigen klar, dass der Sexkauf tatsächlich ein sexueller Übergriff war. Sexkäufer beschreiben wie sie die Frauen benutzen.
Es wird auch klar, dass Sexkäufer sehr wohl wissen, dass der Großteil der Frauen nicht freiwillig in der Prostitution ist. Sie nehmen das nicht nur in Kauf, sondern nutzen aus, dass die Frauen keine Wahl haben. Sexkäufer fordern Sex ohne Kondom, fordern Sexualpraktiken, die die Frauen nicht machen möchten. Sie nutzen ihre Machtposition aus und kaufen Sex – der nicht einvernehmlich ist. Das können wir nicht akzeptieren.
Die frauenverachtende Haltung und Frauenfeindlichkeit der Sexkäufer werden auch nicht einfach ausgeschaltet, wenn sie das Bordell verlassen. Es ist nicht so, dass Sexkäufer herablassend über prostituierte Frauen sprechen und dann im Büro mit weiblichen Vorgesetzten und Untergebenen gleichberechtigt und respektvoll umgehen.
Frauen in der Prostitution sind Frauen wie Sie und ich, und wir können nicht zulassen, dass diese Frauen Gewalt ertragen müssen. Echte Gleichberechtigung in Deutschland ist mit einem System der Prostitution nicht vereinbar.
Prostitution ist ohne Zweifel ein sehr kontrovers diskutiertes Thema in Deutschland. Auch bei uns im Verein von TERRE DES FEMMES hat es einige Zeit gedauert, bis wir uns auf unsere Forderung nach dem Sexkaufverbot geeinigt haben. Lange hofften wir, dass mit dem 2002 von der deutschen Regierung verabschiedeten Prostitutionsgesetz Prostitution irgendwie sicherer gemacht werden kann. Doch die Realität hat klar gezeigt, dass dies ein Irrweg war.
Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt, ist doch schon durch die vielen neuen Großbordelle klar, wie stark die Prostitution in Deutschland in den letzten Jahren gewachsen ist. Und auch der momentane Versuch des Prostituiertenschutzgesetzes durch Regulierung die Gewalt in der Prostitution einzuschränken kann nicht erfolgreich sein, da weiterhin die Nachfrage und die Sexkäufer nicht im Fokus des Gesetzes stehen.
Wir wissen auch, dass die große Mehrheit der Frauen lieber heute als morgen aus der Prostitution aussteigen würde. Doch so einfach es in Deutschland ist, in die Prostitution hineinzugeraten, so unfassbar schwer wird es den Frauen gemacht, wieder auszusteigen. Die wenigsten habe eine echte Wahl – viele sind den Zwängen von Zuhältern ausgesetzt; viele befinden sich in wirtschaftlicher Not. Wir fordern solidarische Lösungen, um sozialer Ungerechtigkeit zu begegnen. Prostitution darf keine Lösung zur Bekämpfung von Armut sein.
Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren mit der Sexualstrafrechtsreform „NEIN heißt NEIN“ wichtige Fortschritte gemacht. Im Bereich Prostitution scheinen wir allerdings zu akzeptieren, dass diese Sexkäufer kein „Nein“ hören wollen und sich deshalb ein „Ja“ erkaufen. Das ist unvereinbar mit der sexuellen Selbstbestimmung für die wir kämpfen.
Wir sind davon überzeugt, dass Männer in der Lage sind, Sexualität auf Augenhöhe zu leben. Einvernehmlicher Sex kann nicht gekauft werden, daher ist unser Motto für die diesjährige Aktion #sexistunbezahlbar.
Wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, die Jungen und Männern signalisiert, dass man über eine Frau sexuell verfügen darf, wenn man dafür bezahlt? FeministInnen haben sich auch nicht abschrecken lassen, als es um die Kriminalisierung von Vergewaltigung in der Ehe ging. Nur durch Gesetzesänderungen und ein klares Signal, dass der Staat und unsere Gesellschaft diese Form von Gewalt gegen Frauen nicht mehr akzeptieren, können wir die Gleichberechtigung in Deutschland voranbringen.
Dr. Andrea Tivig, TERRE DES FEMMES-Fachreferentin zum Thema Frauenhandel und Prostitution:
Sehr geehrte Damen und Herren,
TDF-Referentin Dr. Andrea Tivig. Foto: © Martin FunckWir können Prostitution in Deutschland stark reduzieren, wenn wir es wollen, und wir uns dafür einsetzen. Kein Gesetz wird von heute auf morgen dazu führen, dass Prostitution verschwindet. Aber die Einführung des Sexkaufverbotes setzt ein klares Zeichen, dass der Staat diese Form von Gewalt an Frauen nicht legitimiert. Das wollen wir erreichen.
Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Sexkäufer aufhören, Sex zu kaufen. Das es gesellschaftlich nicht akzeptabel ist, wenn ein Mann erzählt, dass er Sex kauft. Sexkäufer sollen im Fokus der Gesetzgebung stehen, deswegen haben wir heute hier auch die Männer in den Fokus gesetzt. Denn auch wenn es am heutigen Tag, dem Internationalen Tag NEIN zu Gewalt an Frauen, um Frauen geht, sollten wir nicht ausblenden, wer diese Gewalt ausübt. Im Bereich Prostitution sind es zum einen Zuhälter aber eben auch die Sexkäufer.
In Deutschland hat sich bisher noch keine politische Partei für die Einführung des Sexkaufverbots ausgesprochen, doch wir freuen uns sehr, dass endlich Bewegung in die Politik kommt. Immer mehr PolitikerInnen von mehreren Parteien positionieren sich gegen die Normalisierung von Prostitution und für die Einführung des Sexkaufverbotes. Einige von Ihnen sind heute hier, und unterstützen uns. Vielen Dank dafür!
Diese klare Positionierung und tatkräftige Unterstützung von PolitikerInnen ist wichtig, doch um Gesetzesänderungen in Deutschland zu erreichen, müssen wir in der breiten Gesellschaft ein Umdenken anregen. Daher finden in diesen Tagen in ganz Deutschland von unseren Ehrenamtlichen und Gleichstellungsbeauftragten organisierte Veranstaltungen zum Thema unserer Fahnenaktion unter dem Motto „#sexistunbezahlbar: Für eine Welt ohne Prostitution“ statt.
In Deutschland sind die BefürworterInnen des abolitionistischen Modells noch in der Minderheit. Anders sieht es auf europäischer Ebene aus. Das Europäische Parlament hat sich 2014 mit klarer Mehrheit für die europaweite Einführung des Sexkaufverbots ausgesprochen. Damit hat das Europaparlament ein deutliches Signal gesendet, dass dieser Form von Gewalt an Frauen ein Ende gesetzt werden muss, und dass Prostitution sexuelle Ausbeutung von Frauen. TERRE DES FEMMES fordert, dass das in Deutschland umgesetzt wird, was das Europaparlament für ganz Europa fordert.
Mehrere Länder haben das Sexkaufverbot schon eingeführt. Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland von den unterschiedlichen Umsetzungen des abolitionistischen Modells in diesen Ländern lernt, und eine für Deutschland und unser Rechtssystem passende Version des Sexkaufverbotes einführt. Wir müssen uns genau anschauen, was in Ländern wie Frankreich und Irland klappt, oder auch nicht klappt, um hier in Deutschland die bestmögliche Version des Modells umzusetzen. Klar ist, dass der bisherige Weg, den wir in Deutschland zum Thema Prostitution gegangen sind, so nicht weitergegangen werden kann.
Dafür sind unsere Kontakte in andere europäische Länder unerlässlich. Nichtregierungsorganisationen aus ganz Europa kommen in der „Brussels Call“ Bewegung zusammen und setzen sich dafür ein, dass das Sexkaufverbot tatsächlich europaweit eingeführt wird. Erst Mitte Oktober haben sich 80 Organisationen im Europäischen Parlament mit ParlamentarierInnen bei einer Konferenz über Prostitution zusammengefunden. Wir wollen gemeinsam im „Brussels Call“ unseren Forderungen Nachdruck verleihen. Wir wollen von einander lernen, wie wir es schaffen können, die breite Gesellschaft zu einem Umdenken im Umgang mit der Prostitution zu bewegen.
Wie Jessica Espinoza vorhin erklärt hat, fordert TERRE DES FEMMES nicht nur die Einführung eines Sexkaufverbots in Deutschland, sondern wir setzen uns dafür ein, dass Frauen in der Prostitution Alternativen und Ausstiegsprogramme geboten werden. Auch wenn wir in unserer Aktion heute die Sexkäufer in den Fokus gerückt haben, so sollten wir nicht vergessen, dass es primär Frauen sind, die in der Prostitution sexuell ausgebeutet werden.
Wir müssen uns genauso stark dafür einsetzen, dass Frauen, die in der Prostitution tätig sind Unterstützung bekommen, und Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, tatsächliche Alternativen gegeben werden und sie durch Ausstiegsprogramme unterstützt werden.
Wir fordern die Gleichberechtigung in Deutschland und sagen NEIN zu Gewalt an Frauen. Frauenverachtende Aussagen und Haltungen wie diese, die Sie heute hier gesehen haben, können wir nicht akzeptieren. Sexkauf können wir nicht hinnehmen, da Männer sich hier durch Geld den Zugang zum Körper einer Frau erkaufen. Wir wollen verhindern, dass mit Gewalt an Frauen Profit gemacht wird. Sexkäufer müssen kriminalisiert werden, damit sie ihre Macht nicht weiter gegenüber Prostituierten ungestraft ausüben können. Dafür setzen wir uns ein, und dafür sind wir heute hier. Wir freuen uns, dass Sie auch gekommen sind.
Ich möchte Sie jetzt herzlich dazu einladen sich gemeinsam mit uns zu einem Gruppenfoto zu stellen. Denn nur gemeinsam werden wir es schaffen, dass es in Deutschland ein Umdenken gibt! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Gruppenbild Fahnenaktion vor dem Brandenburger Tor 25.11.2019. Foto: © Martin Funck