2022: Ein neues Jahr ist angebrochen. Das auf Rollenklischees beruhende Marketing an Weihnachten oder die zahlreichen Beschwerden, die bei Pinkstinks, TERRE DES FEMMES oder auch dem deutschen Werberat[1] eingehen, zeigen wie sehr frauenfeindliche Werbung in unserem Alltag präsent ist und wie wichtig das Ergreifen von Maßnahmen dagegen ist. Neben einer Beschwerde bei den genannten Stellen, existieren keine bundesweiten oder bundeslandweiten Regulierungen, sondern ein Flickenteppich aus Maßnahmen und Beschwerdestellen in einzelnen Städten.
Seit einem Jahr existiert die Berliner Jury gegen diskriminierende und sexistische Werbung und löst den Deutschen Werberat als Beschwerdegremium in Berlin ab. Konkrete Fälle sexistischer Werbung können dort gemeldet werden und werden dann durch die Jury geprüft. Falls die Werbung sexistisch ist, werden die Werbetreibenden darauf aufmerksam gemacht und gegebenenfalls um eine Entfernung gebeten.
Besonders die Mitglieder des Gremiums stellen mit ihren unterschiedlichen Expertisen und vor allem praktischer Erfahrung zu Gleichstellung eine unabhängige Bewertung der Werbung auf Gundlage eines selbsterarbeiteten Kriterienkataloges sicher. Im Gegensatz zum deutschen Werberat, dessen Jury sich aus UnternehmensvertreterInnen aus der Werbewirtschaft zusammensetzt und als Selbstkontrollinstanz funktioniert, wird die Bedeutung dieser Unabhängigkeit deutlich.
Dieses neue Gremium begrüßt TERRE DES FEMMES sehr. Besonders als Mitglied der AG frauenfeindliche und sexistische Werbung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg möchten wir diese Chance für die Stadt Berlin betonen. Vor dieser berlinweiten Strategie existierten nur im Bezirk Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg explizite Beschwerdestellen. Durch den Senatsbeschluss im Jahr 2020 besteht nun eine einheitliche Regulierungen für Berlin und sexistische Werbung auf öffentlichem Gelände ist in Berlin verboten. So wird eine Möglichkeit für eine kritische und unabhängige Auseinandersetzung mit der diskriminierenden Werbung geschaffen und die frauenfeindliche Werbung in Berlin (hoffentlich) reduziert.
Im Vergleich mit den anderen Bundesländern existiert nur in Bremen eine vergleichbare Strategie. Schon seit 2017 existiert dort eine zentrale Prüfstelle bei der sexistische Werbung gemeldet werden kann. In anderen Bundesländern existieren keine landeseigenen Gesetze oder Beschwerdestellen, sondern die Verantwortlichkeit wird bei den Kommunen und Städten angesiedelt.
Dieses Verständnis wird auch in den Beschlüssen der Gleichstellungsministerkonferenz[2] der Bundesländer zu sexistischer Werbung deutlich: bereits im Jahr 2017 forderten sie die Bundesregierung auf geeignete Maßnahmen zu entwickeln, im Jahr 2018 forderten sie die Bundesregierung auf die Maßnahmen in den Kommunen aktiv zu unterstützen und im Jahr 2019 wurde an Unternehmen und Verbände appelliert keine sexistische Werbung zu nutzen sowie der Deutsche Werberat aufgefordert seinen Werbekodex weiter zu präzisieren. Anschließend daran kam es aber zu keiner bundesweiten, einheitlichen Regulierung.
Immer mehr Städte haben sich in den letzten Jahren dazu entschieden aktiv etwas gegen sexistische Werbung zu tun. Da in jeder Stadt unterschiedliche Regulierungen existieren, ergibt sich ein großer Flickenteppich mit unterschiedlichen, individuellen Lösungen. Die einzelnen Maßnahmen lassen sich in drei Kategorien einordnen.
- Der Beschluss eines gesetzlichen Verbotes sexistischer Werbung auf öffentlichen Flächen hat oftmals Verbotsklauseln in den Werbeverträgen zur Folge.
Diese Maßnahme wird in vielen Städten, wie beispielsweise in Frankfurt, Dortmund oder Heidelberg angewandt.
- Da die Verbotsklauseln nur für öffentliche Werbeflächen gelten, werden zum anderen städtische Beschwerdestellen Damit sind in vielen Fällen , wie zum Beispiel in Potsdam, Köln oder München, die Gleichstellungsbeauftragten der Stadt gemeint. In Flensburg wurde, wie auch in den Bundesländern Berlin und Bremen ein anderer Weg gewählt und eine eigene Jury gebildet. Eine eigene Jury beweist die Bedeutung die diesem Themenfeld beigemessen wird und gibt Empfehlungen so mehr Schlagkraft.
- Neben Verboten existieren auch Maßnahmen für das Sensibilisieren der Öffentlichkeit. Eine Möglichkeit stellt das Informieren von BürgerInnen, Unternehmen und Werbetreibenden über frauenfeindliche Werbung, Kriterien, dem zugrundeliegenden Sexismus oder Beschwerdemöglichkeiten dar. In Städten, wie Wismar oder Hannover gibt es neben Informationen auch Postkarten, die auf dieses Thema aufmerksam machen sollen. In Städten wie beispielsweise Marburg wurden eigene Kriterienkataloge, um für die Stadt festzulegen, was sexistische Werbung bedeutet und gegen mehr Werbeplakate Maßnahmen zu ergreifen.
Einen Überblick über die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen in einzelnen Städten kann hier gefunden werden.
Erfreulich ist, dass aktiv gegen sexistische Werbung vorgegangen wird. Das erfolgt meistens in den Städten und Kommunen – leider nicht landes- oder bundesweit. Es ist wichtig, dass lokale Beschwerdestellen entstehen und in immer mehr Städten ein Konzept gegen frauenfeindliche Werbung entwickelt wird. Dennoch fehlt eine Strategie gegen sexistische Werbung an vielen Orten in Deutschland und vor allem bundesweit. Sexismus bleibt somit leider ein Teil unseres Alltags.
Um Gleichstellung in Deutschland bei allen Aktivitäten ressortübergreifend und selbstverständlich mitzudenken und umzusetzen sind Maßnahmen in einzelnen Städten deshalb nicht ausreichend. Es braucht ein bundesweites Verbot von sexistischer, frauenfeindlicher und diskriminierender Werbung. Dieses muss ergänzt werden durch zentrale Beschwerdestellen, einem einheitlichen Kriterienkatalog und fachkundigen Jurys.
Im Jahr 2022 ist es Zeit, dass sexistische, frauenfeindliche und diskriminierende Werbung in ganz Deutschland geächtet, verboten und sanktioniert wird.
Handeln Sie jetzt! Fordern sie mit uns die Politik auf, frauenfeindliche, sexistische und diskriminierende Werbung für immer zu stoppen. Zeigen Sie durch persönliches Handeln, z. B. mit Beschwerden, wie relevant das Thema in unserer Gesellschaft ist.
Beschwerdestelle:
- Deutscher Werberat
- TERRE DES FEMMES Zorniger Kaktus
- Beschwerdestellen
- Pinkstinks Deutschland e.V.
Berlin, 21.02.2022
[1] Im ersten Halbjahr des Jahres 2021 sind beim Deutschen Werberat 142 Beschwerden zum Thema Geschlechterdiskriminierung eingegangen. Das ist ein Anstieg von 17% zum Vorjahr und stellt mit einem Anteil von 43% den größten Teil der Beschwerden dar.
[2] Online abrufbar unter: https://www.gleichstellungsministerkonferenz.de/Beschluesse.html