20.05.2009: Keine falsche Toleranz für "Ehrenmörder!" TDF-Stellungnahme zur Strafminderungsidee

In einem Interview mit Spiegel-online vom 13.05.09 plädierte der ehemalige Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer dafür, bei einem in Deutschland begangenen “Ehrenmord" die Sozialisation des Täters zu berücksichtigen und diesen nicht für niedrige Beweggründe zu verurteilen.

Die Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES widerspricht diesen Äußerungen aufs Schärfste. “Wir sind entsetzt, dass ein ehemaliger Verfassungsrichter mit derartigen Aussagen eine gravierende Menschenrechtsverletzung relativiert. Dies ist ein Zeichen dafür, dass weitere Aufklärungsarbeit zum Thema “Ehrenmorde" dringend notwendig ist."  so Christa Stolle, Geschäftsführerin von TERRE DES FEMMES.

Ein Großteil der Täter lebt seit Jahren in Deutschland, ist hier zur Schule gegangen und verfolgt die öffentliche Debatte über “Ehrenmorde". Bei den Tätern besteht keine Unkenntnis über bestehende Gesetze, wohl aber eine massive Ablehnung des Grundrechts auf Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Im erwähnten Spiegel-Interview betont Hassemer, dass “Strafe (...) den Sinn (hat), die fundamentalen Normen, die im Strafrecht geschützt werden, den Menschen als Recht zu vermitteln." Gleichzeitig tritt Hassemer dafür ein, Täter zu geringeren Strafen zu verurteilen, wenn sie sich auf ihren kulturellen Hintergrund berufen. “Das Rechtsbild, das potenziellen Tätern damit vermittelt wird, halten wir für fatal.", sagt Christa Stolle, "Soll das fundamentale Recht auf Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen und damit der Schutz des Staates nur für einen Teil der Frauen gelten? Das leistet der Bildung von Parallelgesellschaften Vorschub."

Die Gesetze, die “Ehrenmörder" in Deutschland laut Hassemer möglicherweise nicht kennen, gelten auch in vielen Herkunftsländern. So wurden 2004 in Pakistan Morde, die im Namen der Ehre begangen werden, explizit als Straftatbestand ins Gesetzbuch aufgenommen und das Strafmaß auf mindestens 10 Jahre Gefängnis festgesetzt. Auch die Türkei hat eine zentrale Bestimmung des nationalen Strafgesetzes aufgehoben, die bislang zur Strafminderung bei Verbrechen im Namen der Ehre herangezogen wurde.

Seit Jahren setzt sich TERRE DES FEMMES dafür ein, betroffene Mädchen und Frauen zu schützen, sie über ihre Rechte aufzuklären und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Deshalb wünschen wir uns in Zukunft von Menschen mit Vorbildfunktion eine Unterstützung bei der Durchsetzung von Frauenrechten und nicht ihre Einschränkung unter dem Deckmantel des kulturellen Einfühlungsvermögens. Kein kultureller Hintergrund darf als Rechtfertigung für Mord herangezogen werden!