Opferentschädigungsgesetz

Das unsichtbare Recht für Betroffene von Gewaltdelikten

Viel zu wenig Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt kennen ihre Rechte und Möglichkeiten. Neben Schadensersatzansprüchen und ggf. Schmerzensgeld gibt es auch die Möglichkeit Opferentschädigung geltend zu machen. Wer auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Opfer einer vorsätzlichen Gewalttat wird und dadurch eine gesundheitliche Schädigung erleidet, kann einen Anspruch auf Opferentschädigung geltend machen. Dies gilt auch für Hinterbliebene von Personen, die infolge der Gewalttat verstorben sind und seit dem Jahr 2009 auch, wenn die Gewalttat im Ausland stattfand. Im Antragsverfahren wird der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festgestellt, wonach sich dann die jeweiligen monatlichen Zahlungen orientieren.

Das derzeitige Opferentschädigungsgesetz wurde reformiert und tritt stufenweise bis zum 01.01.2024 in Kraft. Das neue Soziale Entschädigungsrecht beinhaltet eine ganze Reihe an Änderungen und Reformen, bei denen der Verein Weißer Ring e.V. maßgeblich beteiligt war.

Einige der Änderungen im Überblick:

  • Gleichstellung von ausländischen Staatsangehörigen mit deutschen Staatsangehörigen.
  • Fallmanagement für Betroffene (Begleitung und Unterstützung durch das Verfahren).
  • Gesetzliche Regelung von Trauma Ambulanzen (Kinder und Jugendliche haben einen Anspruch auf bis zu 18 Stunden Behandlung, Erwachsene bis zu 15 Stunden).
  • Schwere psychische Gewalttaten berechtigen zu Leistungen (z.B. Stalking).
  • Schockschäden werden gesetzlich normiert (bei gesundheitlichen Schäden als TatzeugIn können Ansprüche geltend gemacht werden).
  • Entschädigungszahlungen für Geschädigte und Hinterbliebene werden zusammengefasst und deutlich erhöht.

Problematisch am bisherigen Opferentschädigungsgesetz, sowie am folgenden Sozialen Entschädigungsrecht ist vor allem, dass es kaum Betroffene kennen und die Antragsformalitäten zum Teil komplex und nicht mehrsprachig zur Verfügung stehen. Im Jahr 2020 gingen nur 17.578 Anträge bei den zuständigen Versorgungsämtern ein. Das entspricht nicht einmal zehn Prozent der 176.672 Gewalttaten, die das Bundeskriminalamt in der Polizei­lichen Kriminalstatistik erfasst hat. Der Staat profitiert davon, dass Betroffene von Gewalttaten das OEG nicht kennen und demnach auch keine Anträge stellen können.

Außerdem werden kaum Anträge genehmigt. Kaum mehr als ein Viertel der in Deutschland bearbeiteten Anträge wird genehmigt. Entsprechend hoch sind die Ablehnungsquoten. Zwischen 40 und 50 Prozent der Anträge fallen in den Ämtern regelmäßig durch. Der Rest der Anträge bekommt in vielen Ländern den Stempel „erledigt aus sonstigen Gründen“. „Sonstige Gründe“ sind zum Beispiel der Tod des Antragstellenden, die Rücknahme des Antrags oder die Weitergabe des Falls an ein anderes Bundesland. Betroffene, die einen Antrag gestellt haben, warten oft jahrelang auf eine Entscheidung. Im Vorfeld kommt es häufig zu einer aufwendigen Beweiserhebung, die unter Umständen auch re-traumatisierend für die Betroffenen sein können. Letztlich ist es auch eine finanzielle Frage, da auf die Betroffenen auch Kosten für z.B. anwaltlichen Beistand zukommen. Daher geben Betroffene von Gewaltdelikten auch immer wieder auf und ziehen ihre Anträge zurück.

Ob das derzeitige Opferentschädigungsrecht oder ab dem Jahr 2024 dann das Soziale Entschädigungsrecht – die fehlende Sichtbarkeit muss sich unbedingt ändern. Betroffene müssen über ihre Rechte ausgiebig informiert werden und niedrigschwelligen Zugang zu Unterstützung in der Geltendmachung dieser Rechte erhalten. Ein erster Schritt wäre, dass bereits die Polizei Betroffene bei Anzeigenaufnahme umfassend über gesetzliche Rechte berät. Gleichzeitig müssen aber auch SachbearbeiterInnen sensibilisiert und geschult werden, damit mehr Anträge akzeptiert und bearbeitet werden können.

Weitere ausführliche Informationen finden Sie unter:

Das neue Entschädigungsrecht

Weißer Ring e.V.

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