Die in Berlin geborene Hatun Aynur Sürücü hatte 1999 ihren Mann, mit dem sie noch minderjährig in der Türkei zwangsverheiratet worden war, verlassen und sich mit ihrem Sohn Can eine eigene Existenz aufgebaut. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Elektroinstallateurin und nannte sich fortan „Aynur“, was soviel bedeutet wie „hell leuchtend wie der Mond“. Im Februar 2005 stand sie kurz vor ihrer Gesellenprüfung und war in ihrem neuen, unabhängigen Leben angekommen.
Durch ihr Verhalten sah sich Hatuns Familie in ihrer Ehre verletzt. Um diese wiederherzustellen, beschloss vermutlich der Familienrat den Tod der jungen Frau. Ayhan Sürücü, Hatuns jüngerer Bruder, gestand die Tat und wurde daraufhin im April 2006 vom Berliner Landgericht wegen Mordes zu neun Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Die beiden älteren Brüder Alpaslan und Mutlu wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Im August 2007 wurde der Freispruch für die beiden Brüder vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Leipzig aufgrund von Mängeln in der Beweiswürdigung aufgehoben. Der Fall ging daraufhin wieder zurück an das Berliner Landgericht. Allerdings ist ein neuer Prozess wenig wahrscheinlich, da sich Alpaslan und Mutlu Sürücü momentan in der Türkei aufhalten.
Hatuns Tod hatte bundesweit politische Debatten um Integration und die Verbesserung des Schutzes für Frauen wie Hatun ausgelöst. In der Folge wurde das Thema Ehrverbrechen auch der breiten Öffentlichkeit bekannt. Hatun wurde für viele zur Symbolfigur für das Leid der Mädchen und Frauen, die unter patricharchalen Familienstrukturen und ehrbezogener Gewalt leiden müssen.
TERRE DES FEMMES Demonstration in Berlin 2005
© Foto: Andreas Dreissiger
TERRE DES FEMMES-Demonstration in Berlin 2005
© Foto: Deborah Seid