In Deutschland werden etwa 95 Prozent der Schwangerschaften nach der sogenannten Beratungsregel beendet.[1] Wer in dieser Situation einen gewünschten Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen möchte, muss zuerst einen gesetzlich vorgeschriebenen Beratungstermin in Anspruch nehmen. Vor diesen Beratungsstellen, aber auch vor den Abtreibungspraxen oder -kliniken selbst, steht man nicht selten AbtreibungsgegnerInnen gegenüber. Ansammlungen von sogenannten LebensschützerInnen belagern Beratungsstellen, konfrontieren die Frauen mit verstörenden Bildern und Plakaten, skandieren Parolen und versuchen die Schwangere durch passive, aber auch aktive Belästigung, von ihrem Vorhaben abzubringen oder zumindest ihren großen Unmut kundzutun.[2] Gegen diesen Missstand möchte Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus nun gesetzlich vorgehen. Sie schlägt eine Kriminalisierung dieser sogenannten „Gehsteigbelästigung“ vor.[3] Bereits mit der Abschaffung des Paragrafen 219a StGB hat die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen für die Stärkung der Selbstbestimmung von Frauen in Deutschland gesetzt. Das Verbot der Gehsteigbelästigung wäre ein weiterer wegweisenden Schritt. Das Vorhaben wurde bereits im Koalitionsvertrag festgehalten, so heißt es hier: „Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen.“[4] In der Regel findet dieses Thema nur wenig mediale Aufmerksamkeit, obwohl es ein fundamentaler Aspekt im Kampf für die Entstigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland ist.