Proteste für gerechte Entschädigungszahlungen für die Opfer und Hinterbliebenen des Einsturzes des Rana-Plaza Gebäudes

Am 24. April 2014 jährte sich der Einsturz des Rana-Plaza Gebäudes in Bangladesch zum ersten Mal. Mit Protestaktionen am 10. und 11. April dieses Jahres wurden deutsche, beziehungsweise auf dem deutschen Markt präsente Unternehmen zu angemessenen Entschädigungszahlungen aufgefordert. Vor knapp einem Jahr forderte die Katastrophe 1134 Todesopfer und hunderte von Verletzten (Quelle: http://www.ranaplaza-arrangement.org).

Überlebende und Angehörige sind bis heute nicht angemessen entschädigt worden. Sabine Growe, Ehrenamtliche der Städtegruppe Hamburg von TERRE DES FEMMES, unterstütze die Protestaktion in Hamburg. „Zahlt anständig! Zahlt jetzt!“ war der Tenor der Demonstrationen um die Firmen in die Verantwortung zu nehmen.

Demonstranten vor dem Benetton Kaufhaus in Hamburg am 11.04.2014. Foto © Sabine GroweDemonstranten vor dem Benetton Kaufhaus in Hamburg am 11.4.14.
Foto: © Sabine Growe

Das Schicksal der Überlebenden

Das Unglück hat nicht nur zahlreiche Menschenleben gefordert und Familien zerstört, sondern auch die Überlebenden in existentielle Not gerissen. Eine von ihnen ist Shila Begum. Nach dem Tod ihres Mannes musste Shila als Alleinversorgerin sich und ihre Tochter ernähren. Aus dieser Not heraus nahm sie einen Job als Näherin in einer Fabrik im Rana-Plaza Gebäude an. Meist hatte sie dort einen zehn-Stunden-Tag im Schichtdienst – und nur einen freien Tag in der Woche.

Während des Unglückszeitpunkts hat Shila in der Fabrik gearbeitet. Sie hat den Fabrikeinsturz überlebt, ist aber durch Quetschungen am Arm seitdem arbeitsunfähig. Entschädigungszahlungen sind für Shila und ihre Tochter existentiell. Durch die Quetschungen am Arm benötigt Shila dringend ärztliche Behandlung. Darüber hinaus verfügt sie nicht über die finanziellen Möglichkeiten, ihrer Tochter ein Studium zu ermöglichen, da die Materialien zu teuer sind und Studiengebühren anfallen.

So wie Shila geht es vielen Menschen, die den Fabrikeinsturz überlebt haben. Ganz zu schweigen von den Familien, denen ihre Angehörigen entrissen wurden. Auch diese sind bis heute nicht anständig entschädigt worden.

Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen sind Shila und Safia Parvin, Gewerkschafterin der National Garment Workers Foundation, Bangladesch, auf Einladungen einiger Organisationen (Auflistung siehe unten) vom 9.-11. April nach Deutschland gereist und setzten sich hier für eine gerechte Entschädigung seitens der Unternehmen ein. Konkret fordern sie, dass deutsche und auf dem deutschen Markt präsente Unternehmen die von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO geforderten Entschädigungszahlungen leisten.

Shila Begum (links) und Safia Parvin vor KiK in Hamburg am 11.4.14. Foto: © Sabine GroweShila Begum (links) und Safia Parvin vor KiK in Hamburg am 11.4.14.
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Der Entschädigungsfond

Unter Aufsicht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO wurde ein Entschädigungsfond eingerichtet, in den die mindestens 28 westlichen Firmen, die Produktionsbeziehungen zu Fabriken im Rana-Plaza Gebäude pflegten, insgesamt 40 Mio. USD (ca. 29. Mio. Euro) einzahlen sollen. Diesen Forderungen sind die Unternehmen bis jetzt nicht nachgekommen. Lediglich 15 Mio. USD (Stand 10.04.2014) wurden bisher eingezahlt.

Die Begründungen der Unternehmen beziehen sich weitestgehend auf deren Nichtwissen der Beziehungen zu den Fabriken. Durch ein unübersichtliches System von Zuliefererbetrieben und die damit einhergehende Unkenntnis über die einzelnen Produktionsstationen versuchen sich die Firmen aus der Verantwortung zu ziehen.

Seitens Adler Modemärkte, KiK und KANZ/ Kids Fashion Group wird eine direkte Geschäftsbedingung bisher geleugnet. Alle drei Unternehmen geben an, dass ohne deren Wissen Aufträge an Fabriken dort vergeben wurden. Benetton und Mango leugneten zunächst die Geschäftsbeziehungen, gaben aber nach eindeutigen Beweisen Verbindungen zu. Firmen wie zum Beispiel Güldenpfennig versuchen sich aus der Affäre zu ziehen indem sie angeben, Geschäftsbeziehungen lediglich in den Jahren vor dem Unglück (Güldenpfennig bis 2010) gepflegt zu haben. Die Kampagne für Saubere Kleidung verwies darauf, dass der Gebäudeeinsturz nur eine Frage der Zeit war und das Argument somit hinfällig sei. Mittlerweile steht die Firma Güldenpfennig in Kontakt zu der Kampagne für Saubere Kleidung um über die Höhe der Zahlung zu verhandeln.

Einige Unternehmen argumentieren, dass sie dem vom TÜV Rheinland ausgestellten BSCI-Zertifikat vertraut haben. Das Zertifikat sagt jedoch nichts über die Gebäudesicherheit aus.

Lediglich Primark hat sehr schnell die Geschäftsbeziehungen zugegeben und hat sich früh am Entschädigungsprozess beteiligt. Mittlerweile orientieren sie sich am Auszahlungsprozess der ILO.

Viele Firmen geben an, Geld gespendet zu haben, jedoch außerhalb des Fonds. Dies geschieht aber über intransparente Prozesse, beispielsweise über Kontakte im Ausland. Problematisch ist dieses Verhalten nicht nur, weil schwer oder gar nicht nachvollzogen werden kann, ob und wie viel Geld wo angekommen ist, sondern auch, dass durch dieses Verfahren einige Geschädigte leer ausgehen.

Darüber hinaus ist die Zahlung in den Fond, die von wenigen Unternehmen (beispielsweise C&A) bereits geleistet wurde, viel zu gering. Wiederum andere verweigern jegliche Kommunikation oder verweigern die Einzahlung in den Fond (beispielsweise Benetton).

Proteste für eine angemessene Entschädigungszahlung

Um den Druck auf deutsche, beziehungsweise auf dem deutschen Markt präsente Unternehmen zu erhöhen, protestierten Shila und Safia mit zahlreichen Menschen und Organisationen auf ihrer Rundreise vom 10. und 11. April diesen Jahres beispielsweise vor dem Hauptsitz von Adler Modemärkte. Nach einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main waren die Stationen der Proteste Haibach bei Aschaffenburg und Hamburg.

Bei den Demonstrationen ging es jedoch nicht nur um die Verantwortung der Unternehmen, sondern auch um konkrete Regelungen seitens der Politik für die Unternehmen.

Proteste vor Benetton in Hamburg am 11.4.14. Foto © Sabine GroweProteste vor Benetton in Hamburg am 11.4.14.
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Engagement von TERRE DES FEMMES

Auch TERRE DES FEMMES hat sich über Jahre verstärkt für saubere Kleidung eingesetzt. Von 2003-2007 haben wir uns im Rahmen der Kampagne für saubere Kleidung für die Rechte von Textilarbeiterinnen in Produktionsländern stark gemacht. Unsere Forderungen waren unter anderem eine Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden und maximal 12 Stunden freiwillige Arbeit, sowie die Einhaltung des bestmöglichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes (ILO Übereinkommen 155). Im Mittelpunkt unserer Arbeit standen die Arbeitsbedingungen von Frauen in der Textilindustrie Lateinamerikas, Asiens und Osteuropas.

Von 2003/2004 gab es im Rahmen der TERRE DES FEMMES-Kampagne „Mode, Macht und Frauenrechte“ eine Vielzahl von Aktionen und Veranstaltungen zu dem Thema.

TERRE DES FEMMES unterstützt die Forderungen nach Entschädigung für die Opfer und Hinterbliebenen des Einsturzes des Rana-Plaza Gebäudes. Wir hoffen, dass die Unternehmen endlich Verantwortung zeigen und die Zahlungen in den Fond schnellstens leisten!

Trägerorganisationen der Rundreise von Shila Begum und Safia Parvin

Quelle

Die in diesem Artikel verarbeiteten Daten und Fakten können der Pressemappe (PDF-Datei) zur Pressekonferenz in Frankfurt am Main entnommen werden

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