Wenn Frauen in der Klimapolitik übergangen werden

2017 Arrow briefs Cover„Menschen, die in Armut leben, tragen am wenigsten zur Produktion von Treibhausgasemissionen bei, die zur globalen Erwärmung führen. Vor allem, wenn sie in Entwicklungsländern leben. Paradoxerweise sind sie es, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sind. Unter den Armen, sind die Frauen diejenigen, die von extremen Klimaerscheinungen am stärksten getroffen werden,“ resümiert Lim Hwei Mian in der Zeitschrift arrow briefs zum Thema Frauenrechte und Klimawandel (Ausgabe 2017).

70 Prozent der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, sind Frauen. Sie haben nicht nur mit ökonomischen Hürden zu kämpfen, sondern auch mit sozialen Gegebenheiten. Auch an der politischen Entscheidungsfindung sind sie ausgeschlossen.

Frauen sind den Folgen des Klimawandels besonders ausgesetzt

Vor allem in Regionen, in denen sie aufgrund ihrer traditionellen gesellschaftlichen Rollen festen Regeln verpflichtet sind, sind sie der Wucht von Klimakatastrophen besonders ausgeliefert.
Oft verbieten ihnen z.B. die geltenden Anstandsregeln schwimmen zu lernen. Mit tödlichen Folgen bei Überschwemmungen. Allzu oft verlassen sie ihr Heim ohne die Erlaubnis eines männlichen Familienoberhauptes nicht oder zu spät. Enge, lange Kleidung beeinträchtigt sie zudem bei der Flucht.
Nach Katastrophen nehmen Frauen die Pflege der verletzten und kranken Familien- und Gemeinschaftsmitglieder auf sich.

Laut UN waren 2004 in Indonesien und Sri Lanka mehr als 70 Prozent der Todesopfer durch den Tsunami Frauen. Auch als der Zyklon Nargis im Jahr 2008 Myanmar traf, waren die meisten Opfer (61 Prozent) weiblich.

In vielen patriarchalen Gesellschaften obliegt es Frauen und Mädchen den Haushalt mit frischem Wasser und dem nötigen Brennmaterial zu versorgen. Bedingt durch den Klimawandel müssen sie immer weitere Strecken zurücklegen, um an die nötigen Ressourcen zu kommen. Kostbare Zeit, die sie für Haushalt, Fortbildung, für politisches Engagement – oder einfach für ihre Erholung hätten nutzen können, bleibt auf der Strecke. Bis zu sechs Stunden am Tag kann der Gang zur Wasserquelle dauern. Die Töchter werden von der Schule genommen, um Wasser oder Brennholz zu holen. Die schwere Fracht, die die Mädchen über weite Entfernungen tragen, wird zur Belastung für den jungen Körper. Auf dem langen Weg laufen sie zudem Gefahr sexuell missbraucht zu werden.  

In den Ländern des Globalen Südens arbeiten Frauen häufig in der Landwirtschaft (bis zu 90 Prozent in afrikanischen Ländern) und kümmern sich um Haushalt und Familie.

Dürreperioden oder Fluten führen zu unkalkulierbaren Einbußen der traditionell gewonnenen Produkte. Durch Missernten fallen die Nahrungsquelle und oft auch die einzige Einnahmequelle weg.

Frühehen und Prostitution als Folgen des Klimawandels

Die durch den Klimawandel verursachten Katastrophen können Familien in extreme Armut stürzen, mit fatalen Auswirkungen für sie und das Leben der Mädchen. Traurige Beispiele hierfür sind Malawi und Mosambik. 2015 wurde Malawi durch schwerste Überschwemmungen unter Wasser gesetzt, ihnen folgte 2016 eine große Dürre. Fast die Hälfte der Bevölkerung musste hungern.

Durch Mosambik fegten zwischen 2000 und 2012 elf Zyklone, gefolgt von Überschwemmungen. El Niño löste eine Dürreperiode aus. Eltern, die ihre Familie kaum mehr ernähren können, bringen das nötige Schulgeld nicht mehr auf. Die Mädchen werden als erste von der Schule genommen und früh verheiratet.
Naturkatastrophen fördern die Praxis der Frühehe, die in beiden Ländern nicht unüblich ist. UNICEF geht davon aus, dass in Mosambik 48 Prozent der Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet werden. In Malawi sind es 46 Prozent, obwohl dort eine Heirat unter 18 verboten ist.

Laut einer CARE-Studie (2016) prostituieren sich Mädchen und Frauen sogar, um ihre Familie ernähren zu können. An belebten Orten wie Wasserstellen würden bereits elf- oder zwölfjährigen Mädchen von älteren Männern Essen und Geld für Sex versprochen. Würden die Mädchen schwanger, würden sie von Familie und Gesellschaft fallengelassen, erklärt Marc Nosbach, CARE-Länderdirektor in Mosambik.

„Keine Klimagerechtigkeit ohne Gendergerechtigkeit“

„Es ist entscheidend, dass wir die Zusammenhänge zwischen den Auswirkungen des Klimawandels und dem Fortbestehen von Gewalt gegen Frauen verstehen, schädigende sozio-kulturelle Praktiken wie die Frühehen eingeschlossen,“ sagt Odina da Barca Vieira, UN Women-Expertin für Mosambik.

UmweltfeministInnen vermissen in der Diskussion um den Klimawandel schon seit Jahren die geschlechtsspezifischen Aspekte. Frauen würden zudem zu selten bei der Suche nach Lösungen zu Klimafragen miteinbezogen. Ihre Verantwortung für die Energie- und Wasserversorgung, für den Haushalt und die Gemeinschaft lasse Frauen Überlebensstrategien entwickeln – sie seien Meisterinnen in Schadensbegrenzung in außergewöhnlichen Situationen. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen sollten genutzt werden.

„Keine Klimagerechtigkeit ohne Gendergerechtigkeit“ forderten AkteurInnen schließlich bei der Klimakonferenz 2007 auf Bali.

Hier gründete sich das transnationale Netzwerk GenderCC – Women for Climate Justice, ein globales Netzwerk aus Organisationen, Frauenrechts- und KlimaxpertInnen, das sich dafür einsetzt, dass in der Klimapolitik alle geschlechtersensitiven Aspekte mitgedacht werden.

Auf der Weltklimakonferenz (COP 23) in Bonn, die im November 2017 unter dem Vorsitz des Inselstaates Fidschi stattgefunden hat, haben die Mitgliedstaaten zum ersten Mal einen Gender Aktionsplan  verabschiedet, „um die Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung von Frauen in Klimadiskursen sowie bei der Bekämpfung des Klimawandels stärker einzubeziehen“ (aus der Pressemitteilung von UN Women vom  15.11.2017).

Den Stellenwert der Frauen im Kampf gegen den Klimawandel hat die Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai, die 1977 die Grüngürtelbewegung (Green Belt Movement) gründete, vor Jahren schon auf den Punkt gebracht: „Frauen erleben den Klimawandel an vorderster Front. Sie bieten sich als aktive Partnerinnen in den Auseinandersetzungen um den Klimawandel an. Wenn die internationale Gemeinschaft die Bekämpfung des Klimawandels ernst meint, so muss sie erkennen, dass Frauen einen wesentlichen Part bei der Lösung des Klimaproblems einnehmen.“

Quellen und weiterführende Infos:

Asian-Pacific Resource & Research Centre For Women: arrow briefs. Women’s Health and Climate Change. Kualalumpur 2017

Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.: Klimagerechtigkeit und Geschlecht: Warum Frauen besonders anfällig für Klimawandel & Naturkatastrophen sind. 21.11.2016

UN WomenWatch: Women, Gender Equality and Climate Change. Fact Sheet (2009)

UN Women: Klimaschutz: Gender Aktionsplan zur Förderung geschlechtersensibler Maßnahmen wurde angenommen. Pressemitteilung vom 15.11.2017

Gender Aktionsplan der Weltklimakonferenz COP 23

UN Women. Nationales Komitee Deutschland. Klima und Gender.

UN Women: Rural women tackle drought-affected Mozambique’s rise in child marriage. 08.11.207

Miriam Beller in Kooperation mit Gethin Chamerlain und Maria Udrescu für ORF.at, Guido Tiefenthaler und Dominique Hammer, ORF.at (Bearbeitung):
Wo Klimawandel Mädchen trifft. „Dann wäre ich jetzt in der Schule“. 05.12.2017

epo-Entwicklungspolitik online: Gender. Hunger in Mosambik. Prostitution und Kinderheirat als Überlebensstrategien. 15.11.2016

Netzwerk GenderCC – Women for Climate Justice

 

Stand: Mai 2018