Heiratsvermittlung? Frauenhandel!

Der archivierte Flyer von 1990.
© TERRE DES FEMMES

TERRE DES FEMMES muss sich 1990 vor dem Zivilgericht wegen Verleumdung verantworten

Mit einem Flugblatt prangert TERRE DES FEMMES (TDF) Ende 1989 den Betreiber der „Tropical-Partnervermittlung“ nahe Freiburg als Frauenhändler an.

Das Flugblatt zeigt Inserate, mit denen der Geschäftsmann in der lokalen Zeitung auf sein Angebot aufmerksam macht, aber auch Fotos aus dessen Katalog: Portraits der ausschließlich brasilianischen Frauen, ergänzt um Katalognummer, Vornamen, Alter und Beruf, erleichtern dem geneigten Kunden die Auswahl.

TDF wirft dem Mann vor, ein „Geschäft mit der Armut zu machen“ und fordert dazu auf, gegen „diese menschenverachtenden Verkaufspraktiken, die Frauen aus der ‚Dritten Welt‘ zu Waren aus dem Katalog machen wollen“, zu protestieren.

Die Aktion bleibt nicht ohne Folgen: Der Inhaber der Agentur erstattet gegen TDF eine Anzeige wegen Beleidigung und Rufmord.

Heiratshandel kein neues Thema für TERRE DES FEMMES

Bereits im November 1987 hatte TDF gemeinsam mit der Aktion Dritte Welt und der Freiburger Frauenbeauftragten gegen den Branchenriesen Menger, der seine „Vermittlungsdienste“ auch in Freiburg anbieten wollte, protestiert. Dieser hatte sich schließlich offiziell von dort zurückgezogen.

1988 erscheint die Publikation „Frauenhandel in Deutschland“. Sie spiegelt die intensive Auseinandersetzung der Freiburger TDF-Frauen mit dem Thema „Sonderangebot Frau“.  
Als potentieller Kunde hatten sie auf Anzeigen von Heiratsvermittlern geantwortet und entsprechendes „Material“ zugeschickt bekommen, welches sie auch prompt in ihrer 43-seitigen Broschüre neben Hintergrundinformationen und Berichterstattungen aus den Medien mit aufnahmen.

Vor allem Frauen aus Südostasien, besonders Thailänderinnen und Phillippina gehören zu den Hauptattraktionen auf dem „Markt“. Das Objekt der Begierde für Sextouristen kann jetzt via Katalog auch nachhause bestellt werden:
„Vielleicht haben Sie schon einmal davon geträumt, von einer liebenswürdigen Phillippina verwöhnt zu werden? Zärtlich, anschmiegsam, voll Hingabe und innerer Zuneigung, dabei ‚supersexy‘ – und als Ehefrau dennoch absolut treu!“ Trotz dieser in Aussicht gestellten Qualitäten verspricht „Menger’s Partner-Ring“ eine Geldzurück-Garantie.

In einer Talkshow antwortet Menger einer SPD-Politikerin, die ihn als Frauenhändler bezeichnet hatte: „Deutsche Männer haben doch die Schnauze voll von Frauen wie Ihnen. Die gehen doch lieber mit einem Thaimädchen ins Bett als mit einer Kratzbürste wie Sie eine sind.“ Der Platzhirsch im einschlägigen Geschäft entlarvt damit das überkommene Verständnis von Geschlechterrollen, das seine Agentur so lukrativ macht.

Das Geschäft mit der Ausweglosigkeit

Im Südwestfunk (1980) erklärt er offen, dass es ihm egal sei, ob da für eine Frau oder für eine Waschmaschine geworben werde, bei den Methoden müsse es sich um dieselben handeln. Tatsächlich basiert sein Profit auf der Armut der Frauen. Ihre Perspektivlosigkeit treibt sie in die Migration. In Deutschland angekommen, kritisiert TDF weiter, sind sie „ohne Kenntnisse von Sprache, Kultur und rechtlicher Situation auf Gedeih und Verderb“ dem Ehemann oder der Agentur (Rückgaberecht/Tauschrecht) ausgeliefert. Die deutschen Käufer würden von diesen Frauen erwarten, sich „widerspruchslos in die Rolle der dienenden und unterwürfigen Ehe- und Hausfrau“ zu fügen. Nicht umsonst sind stumme ausländische Frauen auf dem Heiratsmarkt besonders gefragt.1

Mindestens vier Jahre sind die Frauen ihrem (gewalttätigen) Mann ausgeliefert.2 Nach einer Trennung fällt das Sorgerecht in der Regel dem Mann zu. Hat sich ein Bordellbesitzer oder ein Zuhälter der Kataloge bedient, endet ihr Weg nach Europa in der Zwangsprostitution.

Der Zivilprozess gegen TERRE DES FEMMES in Freiburg, 1990

Wurden Asiatinnen von „Menger’s Partner-Ring“ als „zärtlich“, „gefügig“, als Ehefrau „unvergleichlich“ angepriesen, so findet die „Tropical-Partnervermittlung“ auch für die brasilianische Frau die passenden Eigenschaften für die männliche Klientel: „Brasilianerinnen kommen auf die Welt, um für die Zweisamkeit zu leben und für einen liebenswerten Mann immer da zu sein.“ 

„Aufmüpfigen Ehefrauen droht bei Scheidung die Abschiebung“ warnt TDF auf dem Flugblatt, mit dem sie sich die Anzeige durch den Betreiber der Agentur einhandeln, der sich nicht als Frauenhändler bezeichnen lassen möchte.

TDF wird aufgefordert, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Die Frauen weigern sich und halsen sich einen Zivilprozess vor dem Landgericht Freiburg auf. Und sie bleiben hartnäckig: „Unabhängig davon, wie das Urteil ausfallen wird, prangert TDF diese Art der Heiratsvermittlung weiterhin als illegalen Frauenhandel an.

Der Prozess – sein Verlauf kann im Rundbrief 2/1990, in dem die Berichterstattung in den Medien abgedruckt ist, nachvollzogen werden - endet zugunsten der Frauenrechtsorganisation.

Es könne TDF nicht verboten werden, das von der „Tropical-Partnervermittlung“ betriebene Geschäft „wertend als Frauenhandel zu bezeichnen.“ Die Kartei mit den nummerierten Fotos, argumentieren die Richter, sei mit dem Angebot eines Warenkatalogs vergleichbar. Die Frauen würden „wie Staubsauger“ angeboten. „Die Zusammenführung gleichberechtigter Partner“ stelle man sich anders vor. Die Klage des Partnervermittlers wurde als unbegründet abgewiesen.

Die Hartnäckigkeit der Freiburger Städtegruppe wurde belohnt. Auch nach 30 Jahren engagiert sich TDF mit der gleichen Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit gegen Frauenhandel und (Zwangs-) Prostitution.

Quellen und weiterführende Information:

TERRE DES FEMMES/Städtegruppe Freiburg: Frauenhandel in der BRD. Freiburg, 1988, 43 S.
TERRE DES FEMMES-Rundbrief 1/1990
TERRE DES FEMMES-Rundbrief 2/1990
Susanne Lipka: Das käufliche Glück in Südostasien. Heiratshandel und Sextourismus. Münster, 1995, 143 S.
Klaus-Peter Wolf: Traumfrau. Frankfurt am Main, 1998, 255 S.

Anmerkungen:

1 Der Schriftsteller Klaus-Peter Wolf recherchierte für seinen Roman „Traumfrau“ im einschlägigen Milieu. Als Kunde getarnt wurde ihm – selbstverständlich! – auch eine stumme Frau angeboten. Da für diese die Nachfrage größer als das Angebot sei, müsse auch entsprechend mehr bezahlt werden.

2 Migrantinnen konnten in der Regel frühestens nach vier Jahren Ehe eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Im Jahr 2000 wurde die Ehebestandszeit auf zwei Jahre gesenkt. Eine ausländische Ehegattin musste also nur noch zwei Jahre mit dem deutschen Mann verheiratet sein, um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten zu können. Ab Juli 2011 wurde die Ehebestandszeit auf drei Jahre erhöht.

Stand: Juni 2020