Rakieta Poyga kämpft in Burkina Faso gegen weibliche Genitalverstümmelung

Im westafrikanischen Burkina Faso sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation über 70% der Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. An ihre eigene Beschneidung kann Rakieta Poyga sich nicht mehr erinnern. Bei der Geburt ihrer Tochter wäre sie jedoch beinahe an den Folgen gestorben. In Burkina Faso kämpft sie nun gegen diese Tradition – mit Erfolg.

Rakieta Poyga im Oktober 2012 bei der Feier zur Beendigung der Genitalverstümmelung in den Dörfern der Gemeinde Nongr-Massom. Foto: © Association Bangr Nooma.Rakieta Poyga im Oktober 2012 bei der Feier zur Beendigung der Genitalverstümmelung in den Dörfern der Gemeinde Nongr-Massom.
Foto: © Association Bangr Nooma.
Genau wie viele andere Mädchen und Frauen in Burkina Faso wurde auch Rakieta Poyga als junges Mädchen beschnitten. Schmerzlich erfahren hat sie dies als 38-Jährige wieder bei der Geburt ihres ersten Kindes im Februar 1998 – und unter „unbeschreiblichen Schmerzen.“ Von diesem Tag an war für sie klar: „Künftigen Generationen von Frauen muss diese schlimme Erfahrung erspart bleiben.“ Sie gründete die Organisation „Bangr Nooma“, was so viel heißt wie: „Es gibt nichts Besseres als Wissen.“ Im Zentrum der Arbeit von Bangr Nooma stehen die Aufklärungs- und Überzeugungskampagnen in den Dörfern und in den armen Stadtrandvierteln der Hauptstadt Ouagadougou. „Denn,“ so Rakieta Poyga, „niemand der vernünftig und aufgeklärt ist, will seine Tochter oder seine Frau auf diese Art und Weise verletzen.“

Die Kampagnen von Bangr Nooma erstrecken sich über mehrere Jahre und richten sich sowohl an Mädchen und Frauen, Jungen und Männer, Hebammen, traditionelle und religiöse Würdenträger sowie an die Beschneiderinnen selbst. Die ehemaligen Beschneiderinnen spielen hier eine entscheidende Rolle, da sie von geplanten Verstümmelungen erfahren und diese zur Anzeige bringen können. Seit Bestehen von Bangr Nooma unterstützt TERRE DES FEMMES diese wichtigen Sensibilisierungs-Aktivitäten in Burkina Faso.

In Burkina Faso ist die Beschneidung von Mädchen und Frauen seit 1996 gesetzlich verboten, trotzdem wird diese Praktik vor allen Dingen in ländlichen Gebieten, aber auch in den wild gebauten Vierteln der Hauptstadt Quagadougou weiterhin im Verborgenen durchgeführt.

Begonnen hat Rakieta Poyga ihren Kampf gegen weibliche Verstümmelung gemeinsam mit fünf anderen Frauen in der Hauptstadt Burkina Fasos. Kurze Zeit später weitete sie die Kampagne auf ihr Heimatdorf und dessen Nachbardörfer aus. Sie war überzeugt: „Wenn ich es dort schaffe die Menschen zu überzeugen, dann werde ich es überall schaffen.“ Sie hat es geschafft. Dank Bangr Nooma gibt es heute nicht nur in ihrer Heimatgemeinde, sondern in 810 weiteren Dorfgemeinschaften Komitees gegen Genitalverstümmelung: sie übernehmen die Verantwortung für den Schutz bedrohter Mädchen in ihrem Dorf. Insgesamt hat Bangr Nooma seit Gründung der Organisation bereits über 800.000 Menschen durch die Aufklärungskampagnen in Burkina Faso erreicht und auf diese Art und Weise über 33.000 junge Frauen vor der Beschneidung bewahrt.

Besonders schwer waren für Rakieta Poyga und ihre Mitstreiterinnen die ersten Jahre nach der Gründung Bangr Noomas. „Viele haben mich kritisiert,“ erzählt Rakieta, die von 1984 bis 1994 zuerst in der DDR und dann in der BRD studiert hat. Sie haben gesagt: „Du bist in Europa gewesen. Ist das alles, was du dort gelernt hast? Über Körperlichkeit und Genitalien zu reden?“ Sie seufzt. „Natürlich fiel es mir schwer, als Frau in Burkina über dieses Thema zu sprechen. Vor allem die Älteren empfanden das als unhöflich, ja sogar als Beleidigung.“ Aber Rakieta Poyga ist überzeugt, dass das, was sie tut, richtig ist. Und der Erfolg gibt ihr Recht: Im Oktober 2012 wurde die weibliche Genitalverstümmelung in mehreren Dörfern symbolisch zu Grabe getragen. Dabei wurden die traditionell zur Beschneidung verwendeten Utensilien unter den Augen aller Anwesenden „begraben“. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber Rakieta Poyga will mehr: „Erfolgreiche Entwicklung braucht die Beteiligung von Frauen. Deswegen arbeiten wir hart und setzen uns dafür ein, die Lebensbedingungen der Frauen zu verbessern.“

Ein besonderes Anliegen ist ihr die Aufklärung von Frauen. Gerade diese „müssen hinsichtlich traditioneller schädlicher Praktiken aufgeklärt werden, damit sie mehr Selbstbewusstsein erlangen und eigenständig entscheiden können. Nur so werden wir auch die weibliche Genitalverstümmelung eines Tages besiegen. Die Nicht-Beschneidung soll zur sozialen Norm werden. Dafür machen wir uns stark.“

Rakieta Poyga hat bereits bewiesen, dass es möglich ist, die Mentalität der Menschen in Bezug auf die Beschneidung zu verändern. Erreicht werden kann dieser Wandel jedoch nur durch eine langfristige und kontinuierliche Arbeit. Rakieta Poyga lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Mut und die Kraft hat, diesen Kampf fortzusetzen.