Bangr Nooma, Burkina Faso – Schutz vor Genitalverstümmelung

Um Strafen zu entgehen, wird FGM in Burkina Faso zunehmend an sehr jungen Mädchen vorgenommen. ABN will FGM beenden @TDF.

Burkina Faso gehört mit zu den ärmsten Ländern der Welt, im Jahr 2021 lag es im Human Development Index auf Platz 184 von 191 - schon in den letzten Jahren war Burkina Faso durchgehend sehr weit hinten platziert. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut. Rund zwei Drittel der burkinischen Frauen können nicht lesen und schreiben. 

Gleichzeitig wird das Land seit Jahren von dschihadistischem Terror und politischen Unruhen erschüttert. Anfang 2022 putschte das Militär die damals zivile Regierung aus dem Amt, weniger als neun Monate später folgte der nächste Staatsstreich – die Rückkehr zu stabilen demokratischen Strukturen bleibt weit entfernt. Rund 40 Prozent des Staatsgebiets werden von extremistischen Gruppierungen kontrolliert, inzwischen sind über 1,9 Millionen Menschen innerhalb der eigenen Landesgrenzen auf der Flucht. Mädchen und Frauen sind von der allgegenwärtigen Gewalt besonders betroffen. 

FGM in Burkina Faso

Nach Angaben von UNICEF sind im westafrikanischen Burkina Faso ca. 56 Prozent aller Mädchen und Frauen im Alter von 15-49 Jahren von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen (engl. Female Genital Mutilation: FGM). Ihnen wird meist ohne Narkose und unter unhygienischen Bedingungen die Klitoris entfernt. In vielen Fällen werden zusätzlich die inneren sowie die äußeren Schamlippen teilweise oder vollständig abgetrennt (Exzision). Viele der betroffenen Mädchen und Frauen leiden ein Leben lang unter Schmerzen, verursacht durch Fistelbildungen, Verwachsungen oder Infektionserkrankungen. Auch die psychische Gesundheit der Frauen leidet oft nachträglich unter der Genitalverstümmelung. Nicht selten verbluten Mädchen bei der Prozedur. Bei Schwangerschaften und Geburten kommt es häufig zu lebensgefährlichen Komplikationen für Mutter und Kind. 

Genitalverstümmelung ist in Burkina Faso seit 1996 gesetzlich verboten und das Gesetz gehört zu den härtesten in Afrika. Laut Gesetz No. 043/96/ADP werden Beschneiderinnen mit bis zu drei Jahren Haft und Geldstrafen bis zu 10.000 US-Dollar zur Rechenschaft gezogen. Die 2018 aktualisierte Version des Strafgesetzbuches stellt die öffentliche Befürwortung der weiblichen Genitalverstümmelung in offiziellen Reden, religiösen Zeremonien oder schriftlichen Aufrufen stringent unter Strafe. 28 Jahre nach der erstmaligen Einführung des Gesetzes gegen FGM ist die Betroffenenrate zwar von 76 Prozent (zuletzt 2010) auf nun 56 Prozent (2023) zurückgegangen, doch zeigt dies gleichsam, welch langen Atem normative- und Verhaltensänderungen brauchen. Dass über die Hälfte aller Frauen und Mädchen in Burkina Faso unverändert von FGM betroffen sind, bedeutet zudem, dass die schädliche Praktik in weiten Kreisen aktiv aufrechterhalten wird. 

Auch internationale Rechtsgrundlagen, welche Genitalverstümmelung als Menschenrechtsverletzung verurteilen, wie etwa die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948), das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979) und die Kinderrechtskonvention (1989), wurden von Burkina Faso ratifiziert. Ein großes Problem in der Umsetzung besteht jedoch darin, dass Gewohnheitsrecht, sowie kulturelle und traditionelle Praktiken in der Gesellschaft immer noch hohes Ansehen genießen. Hinzu kommt, dass vermehrt sehr junge Mädchen beschnitten werden. Denn die Beschneidung gilt vielerorts als Voraussetzung für eine Heirat. Religionsführer, Dorfchefs sowie die Beschneiderinnen selbst befürworten FGM oft und setzen sie trotz des geltenden Verbots fort. Meist genießen sie hohes Ansehen innerhalb ihrer Dorfgemeinschaft, was die Arbeit von Bangr Nooma umso wichtiger macht. 

Bangr Nooma - "Es gibt nichts Besseres als Wissen"

Seit über 25 Jahren setzen sich Rakieta Poyga, die Gründerin und Leiterin der Assocation Bangr Nooma (ABN), sowie ihre MitarbeiterInnen für ein Ende der weiblichen Genitalverstümmelung in Burkina Faso ein. Sie arbeiten in den Provinzen Sanmatenga im Norden Zentralburkinas, in Nahouri im Süden des Landes, in Bezirken der Hauptstadt Ouagadougou sowie in umliegenden Wohnvierteln und Dörfern. Bangr Nooma bedeutet so viel wie "Es gibt nichts Besseres als Wissen". Die Organisation wurde 2001 offiziell als gemeinnützige Organisation anerkannt und zählt inzwischen etwa 300 ehrenamtliche Mitglieder und Aktive. 
ABN vertritt einen ganzheitlichen Ansatz und bezieht die gesamte Bevölkerung eines Viertels oder Dorfs in die Sensibilisierungskampagnen ein. Eine Kampagne dauert in der Regel mehrere Jahre. Dazu bildet ABN Animatricen und Animateure (Community Worker) aus, die mit den Menschen über das tabuisierte Thema der Genitalverstümmelung sprechen und über die negativen Folgen der Praktik informieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Schulung lokal einflussreicher Personen, die als MultiplikatorInnen fungieren. Dazu gehören neben den Dorfchefs, Religionsführern, LehrerInnen, PolizistInnen, VertreterInnen von Frauenorganisationen und traditionellen Hebammen v.a. auch die ehemaligen Beschneiderinnen. 

Die Organisation bietet außerdem medizinische Unterstützung in Form von Notoperationen für von FGM betroffene Frauen an. 
2015 errichtete ABN außerdem ein Gewaltschutzzentrum, in dem Mädchen und Frauen, die von jeglicher Form von Gewalt bedroht oder betroffen sind, Zuflucht suchen können und umfassende Unterstützung erhalten. Angesichts der immer prekärer werdenden Sicherheitslage wenden sich auch mehr und mehr binnenvertriebene Frauen hilfesuchend an ABN. 

 

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