Femizide: wenn Gewalt gegen Frauen eskaliert

Obwohl in Deutschland im Schnitt jeden Tag ein Mann versucht, seine (Ex-) Partnerin zu töten, werden Morde an Frauen gesellschaftlich und auch medial häufig als Einzelschicksale ohne strukturellen Hintergrund dargestellt. Tötungen durch den (Ex-) Partner sind weltweit die häufigste unnatürliche Todesursache bei Frauen und auch in Deutschland stirbt jeden dritten Tag eine Frau durch die Hand ihres (Ex-) Partners. Es kommt zu einem Femizid, also der Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Nach solchen Taten wird oft von „Eifersuchtsdramen“ oder „Familientragödien“ gesprochen – ein Narrativ, das die strukturellen Machtverhältnisse, die hinter dieser Art von Tötungen stehen völlig aus dem Blick geraten lässt. Diese Sichtweise schlägt sich auch in der Rechtsprechung nieder und führt teilweise zu milderen Gerichtsurteilen.

Femizide als Ausdruck patriarchaler Gesellschaftsstrukturen

Femizide unterscheiden sich von anderen Formen tödlicher Gewalt, weil sie durch ungleiche Geschlechterverhältnisse motiviert sind und Ausdruck männlichen Dominanzbestrebens sind. Bei Femiziden geht es um die Verteidigung einer überlegenen Stellung, um Macht, um Kontrolle und um Besitzansprüche gegenüber der Frau. Femizide finden also im Kontext einer allgemeinen Frauenunterdrückung in patriarchalen Gesellschaften statt. Die WHO bezeichnet Femizide in diesem Zusammenhang als den äußersten Akt eines weiten Spektrums von Gewalt gegen Frauen.

Die Tötung durch den (Ex-) Partner stellt dabei die häufigste Form von Femiziden dar, wobei Frauen insbesondere in Trennungs- und Scheidungssituationen besonders gefährdet sind. Denn ausschlaggebend für die Tat ist oft der Moment, in dem der Mann im Kontext einer Trennung den endgültige Kontrollverlust realisiert. Ganz nach dem Motto: Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie niemand haben.

Hintergründe und Datenlage

2022 wurden allein in Deutschland 133 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang (demgegenüber stehen 19 männliche Opfer)[1]. Einen bestimmten Tätertypus gibt es dabei nicht – die Täter kommen aus allen Bildungs- und Gesellschaftsschichten. Die Umstände der Taten sind nie dieselben und doch immer ähnlich: asymmetrische Machtstrukturen, männliche Besitzansprüche, patriarchal geprägte Denkmuster, tradierte Rollenbilder.

Abgesehen von Partnerinnentötungen gibt es in Deutschland keine offiziellen Daten zu Femiziden, da die Bundesregierung den Begriff bisher nicht formal anerkannt hat. Fragen nach Femiziden, die außerhalb von Partnerschaften stattfinden bleiben dementsprechend oft unbeantwortet. Um Tötungen von Frauen als strukturelles Problem sichtbar zu machen und präventiv zu begegnen, ist es jedoch wichtig diese als solche zu benennen und eindeutige Definitionen zu verwenden. Das zeigt sich auch in der deutschen Rechtsprechung.

Gerichtsurteile bei Femiziden

Die Istanbul-Konvention, welche in Deutschland 2018 in Kraft trat, sieht bei Taten gegen die (Ex-) Partnerin Strafverschärfungsgründe vor. Oft werden Tötungen von Frauen hier stattdessen nicht als Morde, sondern als Totschläge oder Körperverletzungen mit Todesfolge verurteilt. Auch, weil im deutschen Strafrecht aktuell kein Instrument existiert, mit dem Femizide explizit als solche erkannt und bestraft werden könnten. Misogynie und gekränkte Männlichkeit werden von den Gerichten häufig nicht als Motive der Täter angenommen. Gewalt, die der Tötung vorangeht, wird nur unzureichend berücksichtigt und oft liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Verhalten der Frau. Findet die Tötung zum Beispiel im Kontext einer Trennung durch die Frau statt, sprechen Gerichte oft mildere Urteile – die Begründung: Die Trennung habe den Mann in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzt. Patriarchale Strukturen zeigen sich also auch in der Rechtsprechung und das gesellschaftliche Narrativ von „Beziehungstaten“ setzt sich fort. Eine ausführlichere Darstellung der Rechtslage in erfolgt in diesem Papier,wo  wir außerdem auf die Abgrenzung der Begriffe Femizid und „Ehren“-Mord eingehen.

Quellen

Bundeskriminalamt (BKA) (2023): Häusliche Gewalt. Lagebild zum Berichtsjahr 2022. Wiesbaden: Bundeskriminalamt.

Dreißen, Meike (2022): „Ich bring Dich um, wenn Du nochmal so spät heimkommst“. Verfügbar unter: https://news.rub.de/wissenschaft/2022-03-08-kriminologie-ich-bring-euch-um-wenn-du-nochmal-so-spaet-heimkommst

Dyroff, Merle (2021): Femizid. In: Gender Glossar / Gender Glossary (5 Absätze). Verfügbar unter http://gender-glossar.de/.

Horst, Hannah Noemi ter (2020): Der Stand der Umsetzung des Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Themenfelds Femizid. Düsseldorf: Hochschule Düsseldorf.

Wischnewski, Alex (2018): Femi(ni)zide in Deutschland. Ein Perspektivwechsel. In: Femina Politika. Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft.

Wrobel, Claudia (2023): Täter nicht gleich Täter. Bei juristischer Bewertung von Femiziden werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt – mehr Forschung nötig. Verfügbar unter: https://www.jungewelt.de/artikel/461000.femizide-täter-nicht-gleich-täter.html

Zimmer, Gisela (2022): Femizide in Deutschland. (K)ein Einzelfall. Fakten und Hintergründe zur Gewalt gegen Frauen. Berlin: Rosa-Luxemburg-Stiftung.


[1] BKA 2023, S. 16
 

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